AIHK Mitteilungen

Berufsbildung trotzt der Corona-Krise

Die Corona-Krise hat in den vergangenen Monaten den geschäftlichen und gesellschaftlichen Alltag massiv beeinträchtigt. Während die Bevölkerung seit Mitte Mai immer mehr aus dem Corona-Tiefschlaf erwacht und zur «neuen Normalität» zurückfindet, wird die Wirtschaft die Corona-Folgen noch lange spüren. Auch die Berufsbildung wurde massiv von der Corona-Krise durchgeschüttelt. Vorliegender Beitrag gibt einen Überblick, wie die Berufsbildung der Corona-Krise trotzte.

Für einmal wurde ein Freitag der 13. seinem schlechten Ruf gerecht. So verkündete der Bundesrat am Freitag, 13. März 2020, unter anderem die Schliessung sämtlicher Schulen. Fortan war der Präsenzunterricht verboten. Seit dem 11. Mai 2020 sind die Volksschulen – unter Einhaltung von Schutzkonzepten – wieder geöffnet. Auch an den Mittel-, Berufs- und Hochschulen darf seit dem 6. Juni 2020 wieder vor Ort unterrichtet werden.

Fernunterricht satt Berufsschule

Mit der Anordnung zu den Schulschliessungen des Bundesrates mussten sämtliche Schulen in einer Nacht- und Nebelaktion auf Fernunterricht – im Fachjargon distance learning – umstellen. Auch die Berufsschüler drückten fortan die digitale Schulbank. Die Lernenden waren dabei verpflichtet, am jeweiligen Unterrichtstag am elektronischen Unterricht teilzunehmen. Wo möglich, wurden auch die überbetrieblichen Kurse im distance learning durchgeführt. Unterdessen werden auch die überbetrieblichen Kurse «im geschützten Rahmen» wieder vor Ort durchgeführt.

«Fortan war der Präsenzunterricht verboten»

Lehrabschluss sichergestellt

Mit den zunehmend einschneidenden Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurde klar, dass in diesem Sommer auch die Qualifikationsverfahren (QV, ehemals Lehrabschlussprüfungen oder LAP) nicht wie üblich durchgeführt werden können. Branchen- und Berufsverbände, Bund und Kantone sowie die weiteren Berufsbildungsakteure standen vor der Frage, wie man den zirka 75 000 Lehrabgängern Corona-kompatibel zu einem anerkannten Lehrabschluss verhelfen kann. So fand unter der Leitung von Bundesrat Guy Parmelin Anfang April 2020 ein ausserordentliches Treffen der Berufsbildungsakteure (sogenannte Verbundpartner) statt. Dabei sprachen sich alle Parteien für eine schweizweit einheitliche Lösung für das QV-2020 aus. Nur so konnte sichergestellt werden, dass die Lehrabgänger ein anerkanntes eidgenössisches Fähigkeitszeugnis respektive eidgenössisches Berufsattest erhalten und nicht jede Branche oder gar Kanton ein «Sonderzüglein» fährt.

Drei QV-Varianten wählbar

Die Verbundpartner einigten sich denn auch darauf, dass Corona-bedingt 2020 gar keine schulischen Lehrabschlussprüfungen stattfinden. Stattdessen wurden die Abschlussnoten aus den Erfahrungsnoten und im Bereich der Allgemeinbildung zusätzlich aus einer Vertiefungsarbeit berechnet. Auch für die Berufsmaturanden gab es dieses Jahr schweizweit keine Berufsmaturitätsprüfungen. Stattdessen wurde die Berufsmaturität ganz auf Erfahrungsnoten basierend erworben. Ebenso wurden dieses Jahr die praktischen Abschlussarbeiten Coronabedingt in angepasster Form durchgeführt. Je nach Beruf absolvierten die Lernenden die praktische Abschlussarbeit im Lehrbetrieb. War dies nicht möglich, so fand eine vorgegebene praktische Abschlussarbeit an einem zentralen Ort statt. War letztgenannte Prüfungsvariante Corona-bedingt ebenfalls nicht durchführbar, so wurde auf eine praktische Abschlussarbeit ganz verzichtet. In diesen Fällen musste der Lehrbetrieb die praktischen Fähigkeiten des Lernenden anhand eines einheitlichen Beurteilungsrasters bewerten. Die verschiedenen Berufs- und Branchenverbände hatten schlussendlich dafür zu sorgen, dass pro Berufsabschluss schweizweit die gleiche «Abschlussarbeitsvariante » angewendet wird.

Lernende leisten Kurzarbeit

Um zu verhindern, dass Corona-bedingt Lehrverträge aufgelöst werden müssen, konnten die Betriebe für ihre Lernenden ausnahmsweise ebenfalls Kurzarbeitsentschädigung beantragen. Seit Ende Mai ist diese Möglichkeit nun wieder aufgehoben. Dadurch will der Bund sicherstellen, dass Lernende wieder in den Betrieben ausgebildet und nicht zu Hause gelassen werden. Es bleibt zu hoffen, dass sich nun Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht dazu gezwungen sehen, Lehrverhältnisse aufzulösen.

Lehrabgänger unbedingt weiterbeschäftigen

Glaubt man den Medienberichten, so ist zu befürchten, dass es Lehrabgänger des Jahrgangs 2020 besonders schwer haben auf dem Arbeitsmarkt. So kämpfen nicht wenige Betriebe darum, die bestehende Belegschaft durch die Krise zu führen. Falls neue Mitarbeiter gesucht werden, so werden vorzugsweise Personen mit Berufserfahrung gesucht. Lehrabgänger haben somit das Nachsehen. Um hier zumindest für etwas Entspannung zu sorgen, können Betriebe, die Kurzarbeit leisten, Lernende nach dem Lehrabschluss vorbehaltslos weiterbeschäftigen. Diese verlieren dadurch den Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung nicht. Bei effektiven Arbeitsausfällen darf der Betrieb denn auch für seine «ehemaligen Lernenden» Kurzarbeit anmelden.

Lehrstellensuche in Corona- Zeiten

Bereits heute gibt es eine Vielzahl von Angeboten, die Lernende bei der Lehrstellensuche unterstützen. So berät beispielsweise «ask!» bei der Berufs- und Lehrstellensuche. Um Jugendliche aktuell bei der Suche nach Lehrstellen noch stärker zu unterstützen, hat Bundesrat Guy Parmelin die «Task Force Perspektive Berufsbildung 2020» eingesetzt. Hauptziel der bis Ende Jahr befristeten Task Force ist es, die sich verändernde Situation auf dem Lehrstellenmarkt zu beobachten und zu analysieren und im Falle eines Ungleichgewichtes agil und effizient für geeignete Stabilisierungsmassnahmen zu sorgen.

Erfreulicherweise hat eine erste Einschätzung der Task Force Mitte Mai ergeben, dass in der Deutschschweiz bis April 2020, wie bereits in den Vorjahren, schon 70 Prozent der gemeldeten Lehrstellen vergeben worden sind. Dieser Trend bestätigt sich auch im Kanton Aargau. So wurden bis Ende Mai anteilsmässig etwa gleich viele Lehrverträge wie in den Vorjahren vom kantonalen Berufsbildungsamt genehmigt. Es bleibt zu hoffen, dass dieser erfreuliche Trend auch über die kommenden Monate anhält. So darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass per Ende Mai noch 855 gemeldete Lehrstellen nicht besetzt waren (siehe Grafik oben).

Um Jugendliche zusätzlich bei der Lehrstellensuche zu unterstützen, hat der Bundesrat den sogenannten «Förderschwerpunkt Lehrstellen Covid-19» ins Leben gerufen. Konkret unterstützt der Bundesrat Projekte prioritär mit Krediten, die Jugendlichen bei der Corona-bedingt erschwerten Lehrstellensuche helfen. Mögliche Projekte können dabei insbesondere von den Kantonen und den nationalen Organisationen der Arbeitswelt (z.B. von Branchenverbänden) beim Bund eingereicht werden.

Fazit

Trotz der wirtschaftlich sehr schwierigen Lage ist es mit Blick auf den Fachkräftemangel entscheidend, dass Lehrabgänger im Arbeitsmarkt Fuss fassen und dadurch Berufserfahrung sammeln können. Es bleibt auch zentral, dass die Betriebe trotz Corona- Krise weiterhin Schulabgängern einen Ausbildungsplatz geben. Um möglichst vielen Jugendlichen einen Lehrstart im kommenden Herbst zu ermöglichen, genehmigt der Kanton Aargau dieses Jahr Lehrverträge noch bis am 31. Oktober 2020 für das anstehende Schuljahr.