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Die Frage lautet: Armee ja oder nein?

Am 27. September 2020 stimmen wir über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge ab. In Tat und Wahrheit geht es aber um viel mehr als nur neue Kampfflugzeuge. Im Endeffekt lautet die Frage nämlich, ob wir künftig noch eine Armee wollen oder nicht. Ohne neue Kampfflugzeuge hätte die Schweiz ab ungefähr 2030 keine Luftwaffe und damit auch keine Armee mehr. Im bevorstehenden Abstimmungskampf dürften sich die Diskussionen jedoch primär um die Finanzierung drehen. Die sich stellende Grundsatzfrage darf dabei aber nicht vergessen werden.

Die Armee schützt und verteidigt die Schweiz, ihre Bevölkerung und die Infrastruktur, die für das Funktionieren von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft nötig ist. In der normalen Lage setzt die Luftwaffe Kampfflugzeuge für den Luftpolizeidienst und zur Durchsetzung von Beschränkungen der Nutzung des Luftraums ein. Gerade diese letzte Aufgabe kann nur mittels Kampfflugzeugen sichergestellt werden. Schliesslich verfügen nur Kampfflugzeuge über die benötigte Geschwindigkeit und können in die entsprechende Höhe gelangen, um beispielsweise internationale Linienflugzeuge im Schweizer Luftraum zu überprüfen. Mit Helikoptern oder Drohnen wäre dies nicht möglich.

Keine Armee ohne Luftwaffe

Um die hier nur ganz rudimentär um-schriebenen Aufträge umsetzen zu können, benötigt die Armee, wie anhand des erwähnten Beispiels aufgezeigt, Kampfflugzeuge und auch Systeme der bodengestützten Luftverteidigung. Die gegenwärtig eingesetzten Kampfflugzeuge müssen um das Jahr 2030 altersbedingt ausser Dienst gestellt werden. Gegenwärtig verfügt die Luftwaffe über 30 F/A-18 C/D Hornet, die seit über 20 Jahren im Einsatz stehen und mit Nutzungsverlängerung noch bis rund 2030 einsetzbar sind. Daneben verfügt die Luftwaffe über 26 F-5 E/F (Tiger), die seit rund 40 Jahren im Einsatz sind und bereits heute nur noch beschränkt eingesetzt werden können. Auch die bodengestützte Luftverteidigung muss erneuert werden. Die Luftwaffe hat gegenwärtig nur Systeme kurzer Reichweite: 35-mm-Fliegerabwehrkanonen und Stinger-Lenkwaffen, die nur noch in den nächsten paar Jahren einsetzbar sind, sowie Rapier-Lenkwaffen, die allerdings altersbedingt bereits in wenigen Jahren ausser Betrieb genommen werden müssen.

Den verfassungsmässigen Auftrag der Landesverteidigung könnte die Armee mit dem permanenten Wegfall dieser Mittel nicht mehr erfüllen. Fällt dieser Auftrag weg, müsste im Endeffekt auch die Armee ganz grundsätzlich hinterfragt werden. Letztlich geht es am 27. September 2020 also nicht bloss wie 2014 bei der Gripen-Abstimmung um einen «Teilersatz» für die damals schon veralteten F5-Tiger, sondern um die ganz grundlegende Existenzfrage: Armee ja oder nein?

Finanzierung als primärer Diskussionspunkt

Schon während den Sommerferien wurde die Debatte zu dieser Abstimmungsvorlage lanciert. Das Referendumskomitee setzte sich – nach hier vertretener Auffassung zu Recht – in dem Punkt durch, dass es seine Argumente im Abstimmungsbüchlein wie gewünscht darlegen kann. Streitpunkt war dabei insbesondere die Frage der Finanzierung, denn das Referendumskomitee berechnete die Kosten über die gesamte Lebensdauer der zu beschaffenden Kampfflugzeuge und kommt auf geschätzte Kosten in Höhe von insgesamt 24 Milliarden Franken.

Nun gut, wenn man so rechnen will, dann muss fairerweise aber auch gesagt werden, dass die Schweiz dann zu diesen Kosten den Luftraum bis ungefähr 2070 schützen, kontrollieren und schlimmstenfalls sogar verteidigen kann. Gleichzeitig müsste berücksichtigt werden, was es die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kosten würde, wenn beispielsweise die Gewährleistung des luftpolizeilichen Dienstes aus dem Ausland eingekauft werden müsste. Ohne Kontrolle über den eigenen Luftraum könnten internationale Konferenzen oder Grossanlässe in der Schweiz ohne entsprechende Unterstützung aus dem Ausland künftig nicht mehr eigenständig organisiert werden. Die Schweiz, in der zahlreiche internationale Organisationen ihren Sitz haben und wo jedes Jahr viele wichtige internationale Konferenzen stattfinden, würde einen massiven Reputationsverlust erleiden, wenn künftig keine internationalen Anlässe in unserem Land durchgeführt werden könnten. Um diesen Reputationsverlust abzuwenden, müssten die Leistungen daher aus dem Ausland eingekauft werden. Wie viel uns dies wiederum kosten würde, wird vom Referendumskomitee leider nicht dargelegt. Günstig wäre dies jedenfalls nicht – Sicherheit kostet viel.

Quelle: © iStockphoto.com: VanderWolf-Images

Haltung der AIHK?

Transparenterweise sei hier erwähnt, dass der Autor dieses Beitrags aktiver Milizoffizier der Armee im Rang eines Oberstleutnants ist und allein schon deshalb klar für ein JA plädiert. Die AIHK hat allerdings bisher noch keine Parole zu dieser Vorlage gefasst.

Die politische Grundhaltung der AIHK basiert auf einem liberal geprägten Staatsverständnis wobei die einzige Aufgabe des Staates darin besteht, bestmögliche Rahmenbedingungen (Finanzen und Steuern, Bildung und Forschung, Raumentwicklung und Infrastruktur) zu gewährleisten. Evidentermassen ist auch die Gewährleistung von Sicherheit unter diese bestmöglichen Rahmenbedingungen zu subsumieren. Bei der vorliegend zu beurteilenden Vorlage geht es wie aufgezeigt tatsächlich um die Frage der Sicherheit.

Die AIHK hat sich 2014 mit einstimmigem Vorstandsbeschluss für das damals zur Debatte gestandene Gripen-Fonds-Gesetz ausgesprochen. Der Vorstand der AIHK wird anlässlich seiner in den nächsten Tagen stattfindenden August-Sitzung die Parole zu dieser Vorlage beschliessen. Aufgrund der hier summarisch skizzierten Ausgangslage wäre alles andere als eine klare JA-Parole eine grosse Überraschung.

Fazit

Wir stimmen über eine Grundsatzfrage ab, die die Zukunft der Arme betrifft und nicht nur die Beschaffung von Kampfflugzeugen. Das sollten alle im Hinterkopf haben, wenn sie in dieser Frage abstimmen.