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UVI: unsorgfältig, voller Denkfehler und Irrtümer

Der Philosoph Karl Raimund Popper hat festgehalten: «Der Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, produziert stets die Hölle». Bei genauerem Hinsehen ist die Unternehmens-Verantwortungs-Initiative (UVI) perfekt dazu angelegt, diese Weisheit von Karl Raimund Popper einmal mehr zu belegen.

Vor vierzig Jahren lebten noch rund 40 Prozent der Weltbevölkerung in extremer Armut. Dieser Wert ist seither trotz rasantem Bevölkerungswachstum kontinuierlich gesunken auf unter 10 Prozent. Der wichtigste Grund dafür ist die Verbesserung der Wirtschaftsleistung in der 2. und 3. Welt, welche zu einem guten Teil auf Arbeitsplätze zurückzuführen ist, die insbesondere Unternehmen aus marktwirtschaftlich orientierten, demokratischen Ländern geschaffen haben. Diese Unternehmen sind vor Ort in ihrer grossen Mehrzahl sehr beliebt, weil sie selbst ethischen Aspekten und entsprechenden Standards grosse Beachtung schenken, wie in unzähligen, testierten Geschäftsbe-richten nachzulesen ist.

Alle Unternehmen sind betroffen, auch KMU

Die UVI – sie betrifft alle Unternehmen und ihre Mitarbeitenden, nicht nur Konzerne – macht allerdings keine Unterschiede. Alle exportorientierten Unternehmen, ob gross oder klein, sollen rigiden Haftungsregeln unterworfen werden, wo immer auf der Welt sie tätig sind. Sie sollen für Ereignisse in den entlegensten Winkeln der Erde vor Schweizer Bezirksgerichten eingeklagt werden können, wobei die Unternehmen zu beweisen hätten, dass sie und alle die tausenden Zulieferunternehmen, mit denen sie zusammenarbeiten, ihren Sorgfaltspflichten lückenlos immer und überall nachgekommen sind. Man muss kein Jurist sein, um festzustellen, dass diese Anforderungen niemals erfüllt werden können. Dank der Umkehr der Beweislast lassen sich solche Prozesse – die Jahre dauern können und hohe Kosten verursachen – aber trotzdem ohne grösseren Aufwand anstrengen. Der Aufwand liegt ja bei den Beklagten. Ein gefundenes Fressen für die internationale Klageindustrie, die damit schon allein mit einer Klageandrohung die international tätigen Unternehmen erpressen kann. Ein ähnliches Geschäftsmodell, wie es Hacker im IT-Bereich pflegen. Umsichtig handelnde Unternehmen werden solchen bedrohlichen Szenarien ausweichen, um Schaden von ihrem Unternehmen und ihren Angestellten fernzuhalten. Unschön ist, dass sie dieser gefährlichen Rechtslage sehr einfach ausweichen können. Sie müssen ihren Sitz verlegen, in ein Land, dass solch untaugliche und ungerechte Gesetze nicht kennt. Den Schaden hätte die Schweiz und ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

«Den Schaden hätte die Schweiz und ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen»

Die Befürworter der Initiative

Was sind das für Organisationen, die solches fordern? Der diesbezügliche Katalog ist geradezu abenteuerlich. Auf der Liste bekannter NGOs, die spendenfinanziert eine politisch tiefrot eingefärbte Sache unterstützen, finden sich zum Beispiel die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA, die es jetzt nicht mehr nur auf die Armee, sondern auch auf unbescholtene Unternehmen abgesehen hat. Der WWF, der in Afrika eine mordende und brandschatzende Miliz unterhalten hat, ohne je dafür vor ein Schweizer Gericht gezogen worden zu sein. Oder die Jesuiten weltweit, deren Beweggründe, sich in eine interne politische Angelegenheit der Schweiz einzumischen, mit Fug hinterfragt werden dürfen. Und natürlich weitere kirchliche Kreise. Die Kirchen, die von den Unternehmen Kirchensteuern eintreiben – «non olet!» – um sich danach unter Einsatz dieser Gelder gegen eben diese Unternehmen zu richten. Als praktizierender Katholik befremdet mich das Verhalten meiner katholischen Kirche ganz besonders. Sie, die es über Jahrzehnte geschafft hat, ihre Verfehlungen – Stichwort «Missbrauchsskandal» – systematisch von weltlichen Gerichten fernzuhalten, diese Kirche will nun Schweizer Unternehmen, die nichts falsch gemacht haben, der internationalen Klageindustrie aussetzen und Schauprozesse vor Schweizer Bezirksgerichten ermöglichen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, weshalb sich eigentlich nur Unternehmen vor diesen Bezirksgerichten verantworten sollen, nicht aber Kirchen und NGOs und ihre Machenschaften in der 2. und 3. Welt? Die Antwort ist klar: Es geht hier weniger um Gerechtigkeit für alle, als um eine zutiefst ideologische Vorlage. Man will den Unternehmen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Karren und sie immer und überall den eigenen Sichtweisen unterwerfen, wie das in sozialistischen Systemen gang und gäbe ist. Mit Christentum lässt sich diese Haltung jedenfalls nicht begründen, ist doch der Grundsatz «in dubio pro reo» in allen Ländern des christlichen Abendlandes tief verankert, im Gegensatz zur sozialistisch regierten Welt. Zur Erinnerung: Jesus hat den Zöllner Zachäus eben nicht einem Gericht überstellen lassen, son-dern mit ihm das Gespräch gesucht (Lk 19,1–10), ein Verhalten das sein heutiges Personal offenbar nicht mehr anwenden will. Liegt man falsch, wenn man an Pharisäer denkt?

Besonders verwerflich ist der kolonialistische Geist, der dieser seltsamen Initiative zugrunde liegt. Wäre es nicht richtig, Verfehlungen zuerst im Land, in dem sie vorkommen, auf den Rechtsweg zu bringen? Ein Vorschlag, den die Vertreter der Wirtschaft mehrfach in die Diskussion eingebracht haben. Ist es so, dass alle Länder der 2. und der 3. Welt nicht in der Lage sind, Recht zu sprechen und ihre eigenen Angelegenheiten in ihrem Land zu regeln? Wohl kaum. Aber wie die Kolonialisten vergangener Jahrhunderte haben die Initianten eine herabmindernde, verletzende Sicht auf diese Länder. Am Schweizer Wesen sollen sie genesen. Das ist nicht nur überheblich, sondern in der Sache falsch. Solche Vorgehensweisen schwächen die Systeme in diesen Ländern in ihren Grundfesten und verhindern eine Entwicklung hin zu einer immer besseren Governance. Würden die Initianten und die Kirchen, die bereits heute – lange vor einem allfälligen Abstimmungskampf eine millionenschwere Kampagne fahren – ihre Kraft dafür einsetzen, wäre allen gedient.

«Das ist nicht nur überheblich, sondern in der Sache falsch»

Grundsätzliches Misstrauen gegenüber Unternehmen

Die Initianten legen ein grundsätzliches, tiefreichendes, ja geradezu hasserfülltes Misstrauen gegenüber allen Firmen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Tag, gegenüber der freien Marktwirtschaft und erst Recht gegenüber dem freien Unternehmertum. Unsere unbescholtenen Unternehmen als Prügelknaben für frustrierte Entwicklungshelfer und in der Wolle gefärbte Sozialisten. Dass ein Jean Ziegler – jener Schweizer, der wohl am meisten bluttriefende Hände von Diktatoren in der 2. und 3. Welt geschüttelt hat – von dieser Initiative begeistert ist, kann darum nicht erstaunen.

Entwicklungsländer zahlen einen hohen Preis

Würde die UVI angenommen, müssten sich verantwortungsvoll handelnde Unternehmen angesichts der enormen Haftungsrisiken aus vielen wenig entwickelten Ecken dieser Welt zurückziehen, zum eigenen Schutz und zum Schutz der Arbeitsplätze. Die Lücke würde rasch gefüllt. Unternehmen aus Ländern, die sich wenig um ethische Handlungsweisen scheren, stünden zur Stelle, wie man heute schon in Afrika beobachten kann. Dass es sich dabei um Herkunftsstaaten mit sozialistischem Hintergrund handelt, stört die Initianten wenig. Leidtragend wäre die Bevölkerung vor Ort, einmal mehr.

Der bessere Weg: Dialog und international abgestimmte Regulierung

Der Gegenvorschlag des eidgenössischen Bundesparlaments verfolgt einen anderen Ansatz, der international und europäisch – mit der UNO und den Instrumenten in der EU – abgestimmt ist. Er baut auf einem Vorschlag des Bundesrates auf. Das Parlament geht dabei sehr weit, nimmt alle Unternehmen in die Pflicht und sorgt damit dafür, dass die Schweiz ihren internationalen Beitrag an die Förderung von Umweltschutz und Menschenrechten leistet, ohne dass sie einen Alleingang beschreitet und ohne dass der Wirtschaftsstandort Schweiz nachhaltig Schaden nimmt. Ich bin persönlich davon überzeugt, dass der Weg des Dialogs und der international abgestimmten Regulierung zielführender ist als derjenige der Konfrontation und des Alleingangs – gerade beim Schutz von Menschenrechten und Umwelt.

Fazit

Die UVI ist eine handwerklich unsorgfältige, untaugliche Gesundbeterinitia-tive, die gut gemeint ist, das Ziel aber verfehlt und zu einer höchst ungerechten Behandlung unserer international tätigen Firmen und ihrer Zulieferunternehmen führt. Sie ist gefährlich für den Unternehmensstandort Schweiz und die damit verbundenen Arbeitsplätze. Solche Experimente haben der Schweiz in der gegenwärtigen Lage gerade noch gefehlt.