AIHK Mitteilungen

Wenn der Vater Urlaub macht, statt «schafft»

Nachdem der Abstimmungstermin vom Frühjahr wegen der ersten Welle der Corona-Pandemie ausgefallen ist, wird am 27. Septem-ber 2020 über eine Vielzahl von eidgenössischen und kantonalen Vorlagen abgestimmt. Das Stimmvolk wird auch darüber zu ent-scheiden haben, ob Vätern künftig bei der Geburt ihres Sprösslings ein zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub zusteht.

Am 4. Juli 2017 wurde die Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie» eingereicht. Die Initiative verpflichtet den Bund dazu, einen mindestens vierwöchigen, bezahlten Vaterschaftsurlaub einzuführen. Während der National- und der Ständerat die Initiative klar ablehnten, wurde in der vergangenen Herbstsession der indirekte Gegenvorschlag vom Parlament relativ klar angenommen. In der Folge haben die Initianten denn auch erklärt, dass die Initiative zurückgezogen wird, sofern der vom Parlament verabschiedete indirekte Gegenvorschlag in Kraft tritt.

Parlament ist für Urlaub

Der indirekte Gegenvorschlag sieht vor, dass Väter künftig innerhalb von sechs Monaten seit der Geburt ihres Kindes einen bezahlten Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen erhalten. Hierzu müssen diese unmittelbar vor der Geburt des Kindes während mindestens neun Monaten AHV-versichert und zusätzlich innert dieser Frist mindestens fünf Monate erwerbstätig gewesen sein. Auch selbstständig Erwerbstätige sollen einen Anspruch auf einen bezahlten Vaterschaftsurlaub haben.

Der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub kann wochen- oder tageweise bezogen werden. Während des Vater-schaftsurlaubs werden sogenannte EO-Taggelder in der Höhe von 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens ausbezahlt. Für die Finanzierung sollen 0,05 zusätzliche Lohnprozente (EO-Beiträge) je hälftig bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern erhoben werden. Der Bundesrat geht in seinen aktuellen Berechnungen davon aus, dass der Vaterschaftsurlaub jährlich rund 229 Millionen Franken kosten würde.

Erfolgreich Referendum ergriffen

Gegen den Vaterschaftsurlaub hat ein überparteiliches Komitee erfolgreich das Referendum ergriffen. Auch der AIHK-Vorstand hat an seiner Märzsitzung einstimmig die Nein-Parole zum Vaterschaftsurlaub beschlossen. Zwischenzeitlich sind auch mehrere Vorstandsmitglieder dem Komitee «NEIN zum teuren Vaterschaftsurlaub» (lohnabzuege-nein.ch) beigetreten.

Nein zum erzwungenen Vaterschaftsurlaub

Die AIHK hat definitiv nichts gegen einen privat finanzierten Vaterschaftsurlaub einzuwenden. So gibt es bereits heute unzählige Unternehmen, die ihren Arbeitnehmenden freiwillig einen bezahlten Vaterschaftsurlaub zugestehen. Dies ganz ohne staatlichen Druck. Zudem sehen auch einige Gesamtarbeitsverträge (GAV) einen solchen Urlaub vor. Diese GAV-Lösungen basieren auf einem sozialpartnerschaftlichen Entscheid, also auf einer einvernehmlichen Vereinbarung zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Bei solchen GAV-Lösungen kann auch auf die Gegebenheiten der einzelnen Branchen Rücksicht genommen werden. Im Gegensatz zum staatlich verordneten Vaterschaftsurlaub! Mit der vorliegenden Gesetzesänderung sollen alle Unternehmen dazu gezwungen werden, einen bezahlten Vaterschaftsurlaub einzuführen und mitzufinanzieren. Es sollte letztlich die Aufgabe jedes Unternehmens respektive der Sozialpartner bleiben, freiwillig über die Ausgestaltung eines bezahlten Vaterschaftsurlaubs zu entscheiden. Hinzu kommt, dass gerade Kleinstbetriebe durch die Einführung eines zwingenden Vaterschaftsurlaubs neben finanziellen zusätzlich vor organisatorische Probleme gestellt werden. Nur schon die normale Ferienplanung ist aufwändig. Ist nun ein Arbeitnehmer noch zusätzlich zwei Wochen im Vaterschaftsurlaub, so stellt dies Kleinstbetriebe vor grosse Herausforderungen.

Vaterschaftsurlaub nicht «notwendig»

Mit den staatlichen Sozialversicherungen soll den hier lebenden und arbeitenden Menschen und ihren Angehörigen ein weitreichender Schutz vor Not und Armut geboten werden. Richtigerweise erlaubt die Mutterschaftsentschädigung erwerbstätigen Müttern, sich von der körperlichen Belastung der Schwangerschaft und Geburt zu erholen. Demgegenüber ist es äusserst fraglich, welche Notsituation mit dem Vaterschaftsurlaub gemildert werden soll respektive inwiefern sich Väter von der Geburt erholen müssen. In dem Sinne läuft die Finanzierung eines Vaterschaftsurlaubs dem Zwecke des Schweizerischen Sozialversicherungswesens völlig entgegen. Bereits heute hat jeder Arbeitnehmende mindestens vier Wochen Ferien vom Arbeitgeber zugut. Wollen Väter einen Vaterschaftsurlaub machen, so steht es ihnen frei, die ordentlichen Ferientage als Vaterschaftsurlaub zu beziehen.

Kein weiterer Ausbau der Lohnabgaben

Die Kosten des staatlichen Vaterschaftsurlaubes müssten sowohl von den Arbeitgebern als auch Arbeitnehmenden getragen werden. Wohlgemerkt würden die EO-Abzüge von sämtlichen Arbeitnehmenden, egal ob Mann oder Frau sowie losgelöst von Zivilstand und Alter, erhoben werden. In dem Sinne müssten auch jene Arbeitnehmenden den staatlich verordneten Vaterschaftsurlaub mitfinanzieren, die allenfalls selbst nie in den Genuss eines solchen Gratisurlaubs kommen würden. Ganz nach dem Motto: Alle zahlen für ein paar wenige.

Der zusätzliche Lohnabzug führt denn auch dazu, dass am Ende des Monats wieder weniger Lohn im Portemonnaie landet. Auch wenn es sich dabei lediglich um ein paar Franken handelt, ergibt dies über die Jahre einen stattlichen Betrag. Diese Tatsache trifft gerade die KMU und Gewerbebetriebe, die aktuell besonders mit der Corona-Krise zu kämpfen haben. Denn auch sie müssten als Arbeitgeber die zusätzlichen EO-Lohnabzüge hälftig mitfinanzieren, was zu einer Mehrbelastung für KMU und das Gewerbe führt.

«Alle zahlen für ein paar wenige»

Sozialwerke nicht noch mehr belasten

Die Problematik der zusätzlichen Lohnabzüge fällt besonders stark ins Gewicht, da die Sozialwerke der Schweiz bereits heute am Anschlag sind und langfristig nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen. Die Corona-Pandemie hat die gesamte Problematik noch zusätzlich verschärft. So musste der Staat bisher Milliarden an Kurzarbeitsentschädigungen ausbezahlen. Geld, das man so nicht eingeplant hat. Ein Ende der Corona-Krise resp. ihren Folgen ist im Moment auch nicht in Sicht. Hält die Corona-Krise und damit der hohe Grad an Erwerbstätigen, die Kurzarbeit leisten, an, so wird mittelfristig wohl auch die Erhöhung der Lohnabzüge zur Deckung der So-zialversicherungsschulden zur Debatte stehen. Sollte es zudem coronabedingt zu einer Kündigungswelle kommen, so würden die Sozialversicherungsausgaben zusätzlich steigen, dies bei gleichzeitigem Wegbrechen von «Lohn-abgaben». Entsprechend fragwürdig ist es, das bereits angeschlagene Sozialsystem in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage noch weiter auszubauen und es damit noch stärker zu belasten. Wohlgemerkt Sozialversicherungskosten, die auch die nächsten Generationen zu tragen haben.

Fazit

Mit dem staatlich erzwungenen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub soll der Sozialstaat einmal mehr ausgebaut werden. Dies in einer Situation, wo die Sozialversicherungswerke extrem gefordert sind und die Wirtschaft ums Überleben ringt. Anstatt es den einzelnen Unternehmen sowie den Sozialpartnern zu überlassen, ob und in welchem Umfang ein Vaterschaftsurlaub eingeführt werden soll, soll nun ein solcher flächendeckend eingeführt werden. Dabei wird keine Rücksicht darauf genommen, dass bereits angeschlagene Branchen und Betriebe mit der Einführung eines solchen Urlaubs in finanzieller und organisatorischer Hinsicht noch mehr belastet werden würden.