AIHK Mitteilungen

Gewichtige Bundesvorlagen stehen zur Abstimmung bereit

Am 27. September 2020 entscheidet das Stimmvolk über fünf eidgenössische Vorlagen. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind gefordert, sich anhand der umfangreichen Informationen zu den einzelnen Vorlagen ein Bild zu machen und die Weichen richtig zu stellen. Die AIHK hat sich im Interesse ihrer Mitglieder – mit Ausnahme des Jagdgesetzes – zu den Vorlagen geäussert und entsprechende Parolen gefasst. Für einen besseren Überblick vor dem Abstimmungssonntag werden die wichtigsten Argumente zu den Vorlagen nochmals in aller Kürze zusammengefasst.

NEIN zur Begrenzungsinitiative (auch Kündigungsinitiative)

Die Begrenzungsinitiative aus den Reihen von der SVP und der AUNS will, dass die Schweiz die Zuwanderung aus dem EU/EFTA-Raum künftig wieder ohne Rücksicht auf Verträge mit der EU regeln kann. Die Schweiz soll deshalb keine völkerrechtlichen Verträge mehr abschliessen können, die ausländischen Staatsangehörigen eine Personenfreizügigkeit gewährt. Zusätzlich muss mit Annahme der Initiative das Freizügigkeitsabkommen (FZA) mit der EU gekündigt werden, weshalb auch von der «Kündigungsinitiative» die Rede ist. Durch die Guillotine-Klausel würde nicht nur das FZA ausser Kraft gesetzt, sondern die gesamten Bilateralen-I-Verträge mit der EU drohen zu platzen. Auf die Zuwanderung aus Drittstaaten hat die Initiative keinen Einfluss.

Dank der Personenfreizügigkeit mit der EU können Schweizer Arbeitgebende auf ein grosses Arbeitskräfteangebot zurückgreifen. Mit der Kündigung des FZA könnten künftig keine Fachkräfte mehr aus dem EU/EFTA-Raum rekrutiert werden, weshalb sich der bereits bestehende Fachkräftemangel weiter verschärfen wird. Gerade in der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass die Schweiz auf die Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen ist. Gleichzeitig würde mit Annahme der Initiative den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern der gleichberechtigte Zugang zum EU-Arbeitsmarkt erschwert, währenddem auch der Zugang zum EU-Markt für exportorientierte Unternehmen geschmälert wird (vgl. dazu auch AIHK-Mitteiungen 12/19 und 6/20).

Die Vorlage verdient ein NEIN an der Urne, weil …

  • keine Fachkräfte aus dem EU/EFTA-Raum mehr rekrutiert werden können, wodurch sich der bereits bestehende Fachkräftemangel weiter verschärft.
  • alle sieben Abkommen der Bilateralen-I aufgrund der Guillotine-Klausel wegfallen würden.
  • den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern der Zugang zum EU-Arbeitsmarkt erschwert wird.

JA zum Abzug von Kinderbetreuungskosten

Die Bundesversammlung hat eine Gesetzesänderung verabschiedet, die bei der direkten Bundessteuer einen höheren Abzug für die Drittbetreuung von Kindern zulassen soll. Konkret soll der Abzug für die Betreuungskosten von derzeit 10 000 Franken auf 25 000 Franken erhöht werden. Gleichzeitig soll der allgemeine Kinderabzug von heute 6500 Franken auf 10 000 Franken korrigiert werden, damit auch Familien entlastet werden, die ihre Kinder selber betreuen. Gegen die vorgesehene Änderung wurde das Referendum ergriffen.

Die AIHK unterstützt die Vorlage, da rund 60 Prozent der Schweizer Familien direkte Bundessteuern bezahlen und somit von der Erhöhung der Abzüge profitieren. Mit Erhöhung der Abzüge verbliebe mehr Einkommen bei den Eltern, sodass künftig nicht mehr aus steuerlichen Überlegungen auf die Berufstätigkeit beider Elternteile ver-zichtet werden muss. Die Entlastung für Familien führt deshalb gleichzeitig zur Mobilisierung von Fachkräften, die heute teilweise auf dem Arbeitsmarkt fehlen.

Die Vorlage verdient ein JA an der Urne, weil …

  • eine steuerliche Entlastung von Familien schon länger nötig ist.
  • durch den Abzug von Drittbetreu-ungskosten Fachkräfte für den Arbeitsmarkt mobilisiert werden.
  • auch diejenigen Familien von der Änderung profitieren, die ihre Kinder selber betreuen.

NEIN zum Vaterschaftsurlaub

Das Parlament hat – nachdem eine mittlerweile zurückgezogene Initiative den Anstoss gegeben hatte – vor einem Jahr die Einführung eines bezahlten Vaterschaftsurlaubs von zwei Wochen beschlossen. Der Vaterschaftsurlaub soll wochen- oder tageweise bezogen werden können, sofern der Vater vor der Geburt des Kindes mindestens neun Monate AHV-versichert und fünf Monate erwerbstätig gewesen ist. Die Finanzierung soll durch die Erhöhung der EO-Beiträge von 0,45 auf 0,50 Lohnprozente ermöglicht werden, wobei diese je hälftig von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden zu tragen sind (vgl. dazu auch AIHK-Mitteiungen 5/18 und 7/8/20).

Mit Annahme der Vorlage wird den Unternehmen das Gewähren von Va-terschaftsurlaub aufgezwungen. Bereits heute sehen viele Unternehmen – teilweise mittels Regelung in einem Gesamtarbeitsvertrag – Vaterschaftsurlaub vor. Jedes Unternehmen soll weiterhin selbst entscheiden können, ob und wie ein Vaterschaftsurlaub gewährt wird. Den Unternehmen, vor allem auch den KMU, sollte nach der schwierigen Situation rund um die Corona-Pandemie keine weitere finanzielle Mehrbelastung zugemutet werden. Hinzu kommt, dass die Sozialwerke (AHV, berufliche Vorsorge etc.) längerfristig nicht finanziert sind. Die finanzielle Unterstützung von Vätern widerspricht der institutionellen Idee der Sozialversicherungen. Ein Ausbau der Sozialwerke mit einem gesetzlichen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen ist deshalb derzeit nicht zu unterstützen.

Die Vorlage verdient ein NEIN an der Urne, weil …

  • die Unternehmen weiterhin selbst-ständig über die Gewährung von Vaterschaftsurlaub entscheiden sollen.
  • sie zu einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung für Arbeitgeberin-nen und Arbeitgeber führt.
  • die Sozialwerke bereits jetzt länger-fristig nicht finanziert sind.

JA zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge

Mittels Bundesbeschluss hat die Bundesversammlung den Bundesrat mit der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge zum Schutz des Luftraums beauftragt. Die Beschaffung soll 6 Milliarden Franken aus dem ordentlichen Budget nicht übersteigen und bis ins Jahr 2030 erfolgen. Gegen den Beschluss wurde das Referendum ergriffen, weshalb sich das Schweizer Stimmvolk nach der Gripen-Abstimmung von 2014 erneut mit der Beschaffung von Kampfflugzeugen befassen muss. Im Gegensatz dazu geht es aber nun nicht bloss um die Beschaffung eines bestimmten Kampfflugzeugtypen, sondern um die Grundsatzfrage «Luftwaffe – ja oder nein» (vgl. dazu auch AIHK-Mitteiun-gen 7/8/20).

Die Vorlage betrifft die Gewährleistung von Sicherheit durch den Staat. Die Armee – und damit die Luftwaffe – hat den verfassungsmässigen Auftrag, das Land und seine Bevölkerung zu verteidigen. Die Ausgaben für die Luftwaffe stammen aus dem Armeebudget, welches auch bei einem Nein an der Urne nicht anderen Bundesaufgaben zufliessen würde. Dennoch müsste die Schweiz ohne eigene Luftwaffe auskommen und den Luftpolizeidienst aus dem Ausland einkaufen. Internationale Anlässe und Konferenzen wie das WEF wären nicht mehr möglich. Ein enormer Reputationsschaden für die Schweiz ist deshalb zu befürchten.

Die Vorlage verdient ein JA an der Urne, weil …

  • die Luftwaffe essenziell für die Sicherheit der Schweiz ist.
  • das Geld bereits im Budget für die Armee ist und nicht woanders ein-gesetzt werden könnte.
  • die Schweizer Bevölkerung nicht nur über einen Flugzeugtypen, son-dern über die künftige Luftwaffe und damit grundsätzlich über die Armee entscheidet.
  • internationale Anlässe und Konfe-renzen ohne Luftwaffe verunmög-licht werden.

Fazit

Das Stimmvolk wird am 27. September 2020 mit schwerwiegenden Bundesvorlagen konfrontiert. Da diese weitreichende Konsequenzen für unser Land haben, lohnt es sich am Abstimmungssonntag die Weichen richtig zu stellen.