Engineering und Grundausbildung

Rund ein Dreivierteljahr suchte die Richard AG Murgenthal nach einer Fachkraft im Engineering. Der Fachkräftemangel äussert sich für die Firma, die Bahnkomponenten für die ganze Welt herstellt, auch in der beruflichen Grundausbildung: Hier konnten ebenfalls nicht alle Lehrstellen besetzt werden.

Interview Richard AG

Christoph Odermatt im Interview

Christoph Odermatt, in welchem Bereich ist die Richard AG tätig?

Die Ursprünge der Richard AG gehen weit auf das Jahr 1906 zurück. Das Unternehmen begann als verlängerte Werkbank von Fahrzeug- und Zugbauern wie der BBC und SLM. Für diese wurden Einzelkomponenten gebaut, geprüft und geliefert. Viele Sonderkonstruktionen für diverse Anwendungen wurden selber entwickelt und realisiert. Seit geraumer Zeit konstruieren und produzieren wir eigene Bahnbedarfs- und Hochspannungskomponenten. Wir bewegen uns im Bereich des Rolling Stock: Unsere Komponenten werden an Zügen verbaut und stellen die Verbindung via Stromabnehmer, Hauptschalter sowie Trenner zwischen Stromleitung und Rollmaterial her.

Wo befinden sich Ihre Märkte?

Unsere Kunden sind Originalausrüstungshersteller von Süd- nach Nord- und von West- nach Osteuropa – und im Zusammenhang mit der Expansion eines Kunden liefern wir bereits in die USA. Im Bereich des Ersatzteil- sowie des Austauschgeschäfts arbeiten wir unter anderen mit Partnern bis nach Australien zusammen: Die Entwicklungen der Richard AG stehen weltweit im täglichen Einsatz.

Wie differenzieren Sie sich im globalen Wettbewerb?

Unsere Mitbewerber stammen aus Europa und vermehrt aus Asien. Standardprodukte herzustellen, funktioniert in dem Kontext nicht. Bei den Spezialfahrzeugen, bei den Entwicklungen für spezifische Anforderungen kommt man jedoch nicht an uns vorbei. Zudem konzipieren und realisieren wir Varianten von bestehenden Komponenten und fertigen von A bis Z ganze Dachpartien für Züge.

In Ihren Produkten steckt viel Engineering. Spüren Sie in diesem Bereich den Fachkräftemangel besonders?

Von unseren insgesamt 120 Mitarbeitenden arbeiten sechs Leute im Engineering. Bezüglich Fachkräftemangel haben wir ein aktuelles Beispiel: Schon im Herbst 2018 haben wir eine Stelle im Engineering als Konstrukteur/Techniker für die Entwicklungsabteilung ausgeschrieben. Die Suche gestaltete sich langwierig und schwierig, so dass die Stelle erst im Juni 2019 besetzt werden konnte. Insofern wurden wir in diesem Bereich zum ersten Mal mit dem Thema konfrontiert. Was wir schon länger kennen, sind Schwierigkeiten in der beruflichen Grundausbildung. Die Richard AG bildet seit Jahren Polymechaniker und Produktionsmechaniker aus. Bisher ist es uns immer gelungen, zwei Lernende anzustellen, für das kommende Lehrjahr konnten wir leider nur eine Stelle besetzen. Für uns liegt eine Ursache für den Fachkräftemangel darin, dass es immer schwieriger wird, Lernende zu finden und auszubilden.

Sie haben im Engineering fast ein Jahr gesucht. Was erwarten Sie mit Blick nach vorn?

Die Auslastung der Wirtschaft ist momentan sehr hoch, gerade auch in der Bahnindustrie. Es stellt sich die Frage, wie lange diese Ausnahmesituation andauert. Falls es zu einer Abkühlung kommt, wird es vielleicht einfacher, die benötigten Fachkräfte zu engagieren. Die Lehrstellen werden weiter gefördert, so können wir den Jugendlichen attraktive Perspektiven bieten. Vielen Leuten ist nicht bewusst, welche Chancen die gewerblichen und industriellen Berufe bieten. Da leisten die Schulen gute Arbeit, wenn sie auf diese Möglichkeiten hinweisen. Die Richard AG hat in diesem Zusammenhang an Schnuppertagen teilgenommen, die von der Schule initiiert wurden. Das sind positive Signale, bei denen wir selbstverständlich gerne mitmachen und unseren Beitrag leisten. Man darf sich nicht beklagen, keine Lehrlinge zu finden und nichts dagegen unternehmen.

Welche Rolle spielt die berufliche Weiterbildung für die Richard AG?

Neben der Aus- stehen wir auch den Weiterbildungen sehr offen gegenüber und betrachten das als fortlaufenden Prozess. Diesbezüglich unterstützen wir unsere Mitarbeitenden in der Erwartung und der Hoffnung, dass sie ihre neu gewonnenen Erkenntnisse in unserer Firma umsetzen und einbringen. Dabei entscheiden wir individuell und situativ über die geeigneten Weiterbildungen, denn das Giesskannenprinzip mit definierten Budgets führt unserer Meinung nach nicht zum Ziel.

Welche Ihrer Massnahmen gegen den Fachkräftemangel sind besonders erfolgreich?

Wir versuchen auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter einzugehen, sodass wir auch interne Stellenwechsel ermöglichen. Die Förderung und Übernahme von Lehrlingen ist auch ein wichtiger Bestandteil, so kann viel Wissen mitgenommen werden. Zudem haben wir viele langjährige Mitarbeiter, die sich wertvolles Wissen erarbeitet haben und so eine grosse Stütze des Unternehmens darstellen. Beispielsweise haben wir einen Konstrukteur, der inklusive Lehrzeit seit 35 Jahren bei uns angestellt ist. Zu dieser Treue trägt auch die angesprochene Aus- und Weiterbildung wesentlich bei.

Sie beschäftigen auch ältere Arbeitnehmende. Wie stehen Sie dem Thema 50+ gegenüber?

Der Bereich 50+ ist für uns genauso wichtig wie alle anderen Altersgruppen. Wir sind der Meinung, dass ein erfahrener Mitarbeiter sehr wertvoll für das Unternehmen sein kann.

Was spricht aus Ihrer Sicht für die Richard AG als Arbeitgeber?

Der familiäre Hintergrund in unserer Firma verleiht eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre. Zudem haben wir in den verschiedenen Bereichen gut durchmischte Altersgruppen, die am gleichen Strang ziehen. Murgenthal ist ein zentraler Arbeitsort, der mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sowie dem Auto gut erreichbar ist. Im Betrieb gelten gleitende Arbeitszeiten mit einer Sollarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche.

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Christoph Odermatt
Verkaufsleiter und stellvertretender Geschäftsführer,
Richard AG, Murgenthal