«Das Thema wird uns noch lange begleiten»

63 Lernende in 7 Berufen, dazu Auszubildende auf Stufe HF und FH: Rund 10 Prozent der
630 Mitarbeitenden der Klinik Barmelweid absolvieren eine berufliche Grundbildung. Auch
auf dem Gebiet der Weiterbildung unternimmt das AIHK-Mitglied viel, um die benötigten
Fachkräfte auf den Berg zu holen, wie Ramona Zehnder, Ausbildungsverantwortliche der
Reha-Klinik, erläutert.

Interview Ramona Zehnder

Ramona Zehnder im Interview

Frau Zehnder, können Sie uns die Klinik Barmelweid kurz beschreiben?

Die Barmelweid ist eine Spezial- und Rehabilitationsklinik im Aargau mit Schwerpunkten in Psychosomatischer Medizin und Rehabilitation. Sie beschäftigt aktuell rund 630 Mitarbeitende. Dabei bilden die Pflegeberufe und die Ärztinnen und Ärzte den Hauptharst. Wir beschäftigen auch Physio- und Ergotherapeuten, Ernährungs- und Sozialberater, Fachkräfte in der Hotellerie, der Reinigung, der ICT und der Administration bis zur Seelsorge. Dazu stossen noch rund zwanzig Externe – es braucht also Mitarbeitende aus fünfzehn bis zwanzig Berufen, damit die Barmelweid funktioniert.

Wie sieht es mit der Personalstruktur aus?

Unser Haupteinzugsgebiet für Fachkräfte ist der Aargau. Täglich kommen aber auch Leute aus den Kantonen Solothurn, den beiden Basel und Deutschland zu uns. Das Durchschnittsalter unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beträgt rund 40 Jahre, mit 78 Prozent weisen wir einen hohen Frauenanteil auf. 74 Prozent der Mitarbeitenden sind Schweizer, 9 Prozent Deutsche, 2 Prozent stammen aus Sri Lanka. Alles in allem beschäftigen wir Menschen aus 40 Nationen. Wir sind multikulti, eher jung und gut durchmischt. Männer sind bei uns in der Minderzahl, was typisch für das Gesundheitswesen ist. Ebenfalls typisch ist, dass im Kader trotzdem deutlich mehr Männer vertreten sind. Wir achten zwar primär darauf, dass die Kandidatinnen und Kandidaten optimal zur freien Stelle passen, wünschten uns aber gleichzeitig, dass sich mehr Frauen für Kaderstellen bewerben würden. Nach wie vor gehen viele qualifizierte Frauen auf der Karriereleiter nach oben verloren.

Ist der Fachkräftemangel für Sie ein Thema?

Auch wir spüren den Fachkräftemangel. Der äussert sich besonders in der Pflege und bei den Ärztinnen und Ärzten. In der Physiotherapie hat sich die Situation etwas entschärft. Bei den Lernenden hatten wir letztes Jahr Mühe, jemanden im KV zu finden. Dieses Jahr sieht das wieder ganz anders aus – es ist schwer, die Entwicklung vorauszusagen.

Spielt die geografische Lage der Barmelweid eine Rolle?

Die Barmelweid liegt auf dem Jura und durchaus etwas abgelegen. Vor allem für Lernende, die meist mit dem ÖV anreisen, ist der Arbeitsweg lang und man kann fürs Mittagessen nicht zwischen zig Restaurants und Imbissbuden wählen. Manche empfinden dies als Nachteil, andere schätzen dafür unser Restaurant, das für Mitarbeitende günstige Menüs anbietet und gleichzeitig Treffpunkt ist. Auf diese Aspekte machen wir alle Bewerbenden aufmerksam.

Merken Sie, dass auch Deutschland unter einem Fachkräftemangel im Pflegebereich leidet?

Nein. Ich denke, dass es für deutsche Fachkräfte nach wie vor attraktiv ist, in der Schweiz zu arbeiten. Der Lohn ist sicher eine wichtige Komponente. Ausserdem sind die Arbeitsbedingungen bei uns in der Pflege immer noch deutlich besser als in Deutschland. In Bezug auf die länderspezifischen Qualifikationen sehen wir uns jede Bewerbung individuell an. Einige bringen alle Voraussetzungen mit, andere benötigen individuelles Training und gezielte Weiterbildung, damit sie über die erforderlichen Skills verfügen.

Was machen Sie gegen den Fachkräftemangel?

Sehr viel. Im Herbst 2018 lancierten wir eine Personalkampagne, wir schalten Kinowerbung, sind auf Bildschirmen im Bus und auf Plakaten an den Bahnhöfen präsent und wir belohnen interne Vermittlungen. Bei Kaderärztinnen und -ärzten oder bei einzelnen Spezialistinnen und Spezialisten greifen wir ab und zu auf die Unterstützung externer Vermittlungsbüros zurück. Dann zahlen wir angemessene Löhne und bieten vorteilhafte Anstellungsbedingungen. Wir setzen viel daran, die Leute auf der Barmelweid zu halten und zählen viele langjährige Mitarbeitende. Zu guter Letzt ist es sehr viel Wert, wenn die Mitarbeitenden für die Barmelweid als gute Arbeitgeberin Werbung machen. Das ist glaubwürdig und ist wohl das Beste, was uns passieren kann.

Welche Rolle spielen digitale Kanäle?

Die neue Job-Seite auf der Webseite ist super und man merkt, dass die Leute schnell zu ihren Informationen kommen. Der Auftritt wurde für mobile Geräte optimiert und wir erhalten viel mehr Spontanbewerbungen. Insgesamt setzen wir vermehrt auf digitale Kanäle, gerade um jüngere Menschen besser zu erreichen. Die Kommunikation spielt sicher eine zentrale Rolle, nicht alleine bei der Rekrutierung, sondern auch für die Mitarbeitenden. Deshalb achten wir darauf, auf mehreren Kanälen aktiv und offen zu kommunizieren.

Wo ist das Thema Fachkräftemangel innerhalb der Organisation angesiedelt?

Wir befinden uns in einem Wettstreit um Talente. Bei uns ist das Thema deshalb auf oberster Ebene angesiedelt und auch in der Strategie verankert. Für die Umsetzung der Projekte sind vor allem das Marketing und die Abteilung Human Resources verantwortlich. Dabei arbeiten diese eng zusammen. Aber natürlich muss jede Führungsebene ihren Beitrag leisten.

Laut SECO liegt bei den Frauen ein hohes Fachkräftepotenzial. Ist das bei Ihnen umgekehrt?

Mit unseren Massnahmen adressieren wir die Männer nicht speziell. Gleichzeitig freuen wir uns, dass sich bei den Pflegeberufen vermehrt junge Männer bewerben. Denn wir sind überzeugt, dass gemischte Teams viele Vorteile haben.

Wie viele Lernende bildet die Barmelweid aus?

In der Grundbildung zählen wir zurzeit 63 Lernende in 7 Berufen. Dazu kommen Studierende auf Stufe HF und FH – insgesamt befinden sich mehr als 10 Prozent unserer Mitarbeitenden in einer Ausbildung. Wir bilden deutlich mehr Leute aus, als wir anstellen können. Aber für uns ist jede Stelle, die wir intern besetzen, Gold wert. Nach der Ausbildung in einer Spezialklinik möchten aber auch viele mal Akutspital-Luft schnuppern oder in die Langzeitpflege gehen. Dafür haben wir grosses Verständnis und freuen uns umso mehr, wenn sie dann später zurückkehren. Als Ausbildungsverantwortliche versuche ich, in Kontakt zu bleiben und schreibe die ehemaligen Lernenden ab und zu an.

Wie ist die Weiterbildung auf der Barmelweid geregelt?

Wir bilden intern und extern weiter und pflegen eine Kooperation mit dem Kantonsspital Aarau. Für die Weiterbildung steht ein Budget zur Verfügung. Wir achten darauf, welche Mitarbeitenden welche Interessen haben und wo Nachholbedarf besteht. Häufig kommen die Mitarbeitenden mit Vorschlägen auf uns zu oder eine Führungsperson findet, dass sich eine Weiterbildung für einen Mitarbeitenden aufdrängt. Auch Funktionswechsel müssen fachlich vorbereitet werden.

Welche Bereiche stehen bei der Weiterbildung im Vordergrund?

Fachliche Weiterbildung steht klar im Vordergrund, aber auch ein Thema wie Achtsamkeit. Intern bieten wir die Möglichkeit, alltägliches Know-how aufzufrischen oder sich intensiv mit spezifischen Fragen auseinanderzusetzen. Und freitags findet das Lunch-Meeting als interdisziplinäre Weiterbildung mit ganz unterschiedlichen Themen statt. Das sind häufig medizinische Themen, aber es hat auch Platz für anderes. Kürzlich hat beispielsweise unsere Leiterin der Musiktherapie ihre ausgezeichnete Masterarbeit vorgestellt.

Ist es schwierig zu thematisieren, was jemand nicht kann?

Jeder und jede hat persönliche Stärken und Schwächen. Wir möchten die vorhandenen Stärken fördern und die Schwächen beheben.

46 Nationalitäten. Wie gehen Sie mit dem Sprachenwirrwarr um?

Ein Wirrwarr gibt es nicht. Viele der ausländischen Mitarbeitenden leben schon lange in der Schweiz und sprechen deutsch. Und dann kommt es natürlich auf den Beruf drauf an. In der Reinigung ist es offensichtlich etwas weniger entscheidend als bei einem Psychiater. Wir setzen auf die Unterstützung des Teams und gleichzeitig motivieren wir die Mitarbeitenden, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Alles in allem haben wir keine Probleme, ja wir freuen uns sogar, wenn Mitarbeitende mal mit ihrer Muttersprache aushelfen können.

Was spricht aus Ihrer Sicht für einen Job im Gesundheitswesen?

Ich komme selber aus der Pflege und für mich spricht viel für diese Berufe. Es gibt viele Herausforderungen. Jeder Tag ist anders, es wird einem nie langweilig und es ist immer wieder eindrücklich, die Patientinnen und Patienten zu begleiten: Die Menschen kommen in einer schwierigen Situation zu uns und man erlebt gemeinsam die kleinen und grossen Fortschritte. Immerhin sind viele mehrere Wochen auf der Barmelweid. So entstehen intensive Beziehungen.

Was spricht für eine Anstellung auf der Barmelweid?

Wir schreiben die interdisziplinäre Zusammenarbeit gross. Man hört sich die Meinung der Anderen an, man sucht gemeinsam nach Lösungen für die Menschen. Das ist hier täglich zu spüren. Dann liegt die Barmelweid in einem wunderbaren Naturpark. Ich sage immer, dass wir mit unserer Aus- und Weiterbildung Raupen in Schmetterlinge verwandeln. Hier hat man die Möglichkeit, sich zu entwickeln und Kompetenzen zu erwerben, die man und frau nachher überall einsetzen kann. Man kann mit dem Velo zur Arbeit kommt, joggen und spazieren, unsere Aussicht bis hin zu den Alpen entschädigt für den etwas weiteren Weg. Daneben gibt es viele Personalanlässe, Vergünstigungen im Restaurant, Reka-Checks, Fitness- und Gesundheitsprogramme. Ich denke, wir machen wirklich viel für unsere Mitarbeitenden.

Wie geht es zum Thema Fachkräftemangel weiter?

Das Thema wird uns noch viele Jahre begleiten – da sind wir nicht die Einzigen. Um Stellen zu besetzen, hat sich der Ausbau unserer Kapazitäten durchaus positiv ausgewirkt, weil es attraktiv ist, in einem neuen Haus mit moderner Infrastruktur zu arbeiten. Dies scheint ein Anziehungspunkt für Fachkräfte zu sein. Unsere Personalkampagne ist daneben weiterhin auf einem gutem Weg.

Wie sieht Ihre nächste persönliche Weiterbildung aus?

Diese ist tatsächlich schon geplant. Ich werde mich intensiv mit der Führung von Berufsbildnern auseinandersetzen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie wir unsere rund 20 Berufsbildner gut vorbereiten und begleiten, damit wir unsere Lernenden optimal betreuen und für ihre Zukunft ausbilden können.

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Ramona Zehnder
Ausbildungsverantwortliche
Klinik Barmelweid