Die Situation im Aargau

Bereits im Jahr 2014 besetzte im schweizerischen Durchschnitt jede fünfte eingewanderte erwerbstätige Person eine Mangelstelle – damit bestimmt der Fachkräftemangel die Zuwanderung überdurchschnittlich. Und das am stärksten im Kanton Aargau: 27,1 Prozent aller zugewanderten Erwerbstätigen und 23 Prozent der Grenzgänger arbeiten hier in Mangelberufen1.

«Mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative [...] hat sich die Perspektive auf die Verfügbarkeit von Fachkräften in verschiedenen, zum Teil schon bisher vom Fachkräftemangel betroffenen Berufen verschlechtert. Weitere Faktoren wie z.B. der demographische Wandel oder die laufende Zunahme der Anforderungen bei Stellenausschreibungen erfüllen Wirtschaft und Politik mit Sorge. Vor diesem Hintergrund wurde im September 2015 [...] eine Strategie gegen den Fachkräftemangel infolge der Einwanderungsinitiative überwiesen»2. Zudem bildete der Kanton Aargau die interdepartementale Arbeitsgruppe Fachkräfte (IDA FK). Dass es Handlungsbedarf gibt, zeigen auch die Aussagen von Aargauer Firmen: Drei von vier Befragten geben gemäss Sorgenbarometer des Aargauischen Gewerbeverbandes an, von Fachkräftemangel betroffen zu sein.

Spezifische Herausforderungen, spezifische Massnahmen

Ergänzend zur Fachkräfteinitiative des Bundes umfasst die Vereinbarung FKIplus zwischen Bund und Kantonen einen Katalog mit zusätzlichen Massnahmen für die Mobilisierung des inländischen Arbeitskräftepotenzials. Um seinen spezifischen Herausforderungen effizient und effektiv zu begegnen, fokussiert der Aargau ergänzend auf weitere Projekte. So pflegt das Departement Volkswirtschaft und Inneres «ein Monitoring des Fachkräftemangels in der Arbeitsmarktregion Aargau. Mit diesem neuen Fachkräftemangelindex kann die Entwicklung in einzelnen Berufen oder Bran- chen genauer beobachtet und der Handlungsbedarf spezifischer ausgewiesen werden»3. Die daraus resultierende aktuelle Rangliste liefert sämtlichen betroffenen Kreisen konkrete Hinweise zur Situation in verschiedenen Berufsgruppen und bildet die solide Basis für zeit- und zielgerichtete Gegenmassnahmen.

Erst- und Weiterbildungsmassnahmen

Zu einer breiteren Nachwuchsrekrutierung im Allgemeinen und im MINT-Bereich im Besonderen tragen Bund und Kantone mit gezielten Massnahmen auf Primar-, Sekundarstufe I und II, in der höheren Berufsbildung sowie auf Stufe Fachhochschule bei. Dabei unterstützt der Bund in den Jahren 2017 bis 2020 den Aufbau eines nationalen Netzwerks zur Förderung der MINT-Bildung, bei welchem die FHNW die Projektleitung innehat»4.

Auf kantonaler Ebene wird punkto Erstausbildung kein Handlungsbedarf identifiziert – dies im Gegensatz zur Weiterbildung, wo die Fachgruppe «einen Bedarf an stärkerer Orientierung an Bedürfnissen der Firmen [...] sowie der Erarbeitung von kürzeren und flexibleren und somit auch günstigeren Weiterbildungsangeboten bspw. mittels Online-Angeboten»5 ausmacht. Gleichzeitig wird die Möglichkeit von mehr Firmenpraktika für Maturandinnen und Maturanden als notwendige Massnahme für eine bessere Durchlässigkeit an die Fachhochschule genannt. Alles in allem sollen bereits bestehende Plattformen und Weiterbildungsangebote besser bekannt gemacht werden.

Interesse für MINT wecken

Auf Stufe Volksschule haben die kantonalen Massnahmen das Ziel, das Interesse für naturwissenschaftliche und technische Themen zu wecken und die beruflichen Ein- respektive Aufstiegsmöglichkeiten aufzuzeigen. Bei der Oberstufe der Volksschule liegt ein Schwerpunkt auf dem reibungslosen Übergang in die Sekundarstufe II. In der Berufsbildung steht die Aktualisierung und fachliche Relevanz der Lehrinhalte im Zentrum. Mittelschulen ihrerseits legen den Fokus auf die Förderung der MINT- und weiterer Kompetenzen. Die erhöhte Konzentration auf die Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zur Eindämmung des Fachkräftemangels findet ihre Fortsetzung auf Stufe Fachhochschule.

Ergänzend zu den lancierten Massnahmen besteht bei den Weiterbildungsangeboten aus Sicht der Fachgruppe ein Bedarf zu mehr Orientierung an den Bedürfnissen der Unternehmen und zu kürzeren, flexibleren Angeboten sowie der Durchlässigkeit an die Fachhochschulen.

AMM, 50+ und Flüchtlinge

Ganz im Sinne der Fachkräfteinitiative verfolgen so genannte Arbeitsmarktliche Massnahmen (AMM) das Ziel, die Integration von Stellensuchenden in den Arbeitsmarkt zu fördern. Einen Fokus legt der Aargau auf Jugendliche ohne Lehrstelle, arbeitslose Erwachsene ohne berufliche Grundbildung respektive mit beruflicher Grundbildung, aber mit fachlichen Lücken oder wenig Erfahrung sowie auf Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene. Ergänzend zum Bund fördert der Kanton Aargau im Bereich 50+ die Sensibilisierung der Firmen, die gezielte Unterstützung von Weiterbildungen, das Mentoring 50+ sowie das Gesundheitsmanagement.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Ein Schwerpunkt der FKI liegt auf der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In diesem Zusammenhang bietet und unterstützt der Kanton Aargau Veranstaltungen für pflegende und betreuende Angehörige. Die Fachstelle Kinder & Familien berät, informiert, koordiniert zudem rund um die familienergänzende Kinderbetreuung. Ein kantonales Vernetzungsprojekt thematisiert die Vereinbarkeit von Arbeits- und Lebenswelten. Die AIHK ihrerseits pflegt über fünf regionale HR-Netzwerke den Austausch von Erfahrungen, Informationen und Wissen – unter anderem zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Diese wird mit dem Kinderbetreuungsgesetz erleichtert: Bis zum Schuljahr 2018/19 sind die Gemeinden verpflichtet, den Zugang zu einem bedarfsgerechten Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung sicherzustellen.

Trotz der bereits bestehenden, breiten Palette an Massnahmen auf Bundes- sowie auf kantonaler Ebene, ist es für den Aargau in Anbetracht des drohenden Fachkräftemangels relevant sicherzustellen, «dass Eltern verstärkt berufstätig bleiben. Obwohl in den letzten Jahren das Bewusstsein für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewachsen ist, blieb die Umsetzung von familienfreundlichen Massnahmen in den Betrieben vielerorts zögerlich. Die vielfältigen Möglichkeiten für Unternehmen werden noch wenig zur Kenntnis genommen [...]. Eine von der Standortförderung im Jahr 2018 durchgeführte Umfrage zur Standortattraktivität des Aargaus für Fachkräfte zeigt, dass das Angebot im Aargau für die Kinderbetreuung unterdurchschnittlich bewertet wird»6.

3A: Attraktiver Arbeitsplatzstandort Aargau

In Ergänzung zur FKI fördert der Aargau das Fachkräftemarketing für den Kanton gezielt. Schwerpunkte liegen auf der Begegnung von Unternehmen und Fachkräften, auf der Plattform zur Firmen- und Standortpräsentation sowie auf Kampagnen mit einer gezielten Ansprache der Wegpendler.

Bereits 2016 hat die Standortförderung eine Fachkräfteveranstaltung durchgeführt, aus der «Karriere Aargau» hervorgegangen ist: Im Rahmen dieser Veranstaltung präsentierten im Jahr 2018 rund 30 Unternehmen und zirka 280 Fachkräfte ihre Firma und ihre Arbeit. Die nächste Austragung ist im Sommer 2020 in Baden geplant.

Unter dem Titel «Aargau My Place» vernetzten mehrere Partner ausländische Neuankömmlinge und machen sie mit dem Aargau und seinen Angeboten bekannt. Ziel ist es, die hochqualifizierten Fachkräfte «für den Aargau als Wohn- und Lebensort zu begeistern»7.

Die von der AIHK unterstützte Webplattform Work Life Aargau bietet Aargauer Unternehmen künftig eine Option, sich audiovisuell und interaktiv, aktuell und attraktiv zu präsentieren. «Mit der Verknüpfung der Unternehmens- und der Standortvorzüge erhalten die Fachkräfte einen einzigartigen Eindruck zum Gesamtangebot Arbeiten und Leben im Kanton. Insbesondere Wegpendler werden dazu motiviert, sich mit dem Arbeitsplatzstandort Aargau auseinanderzusetzen»8.

Gute Position gemeinsam nutzen

Der Kanton Aargau ist heute gut positioniert, bietet Bevölkerung und Unternehmen auf Basis der FKI ein breites Angebot und gute Rahmenbedingungen. Die Analyse zeigt, dass Verbesserungs- sowie Erweiterungspotenziale vorhanden und die Lancierung zusätzlicher Massnahmen zurzeit nicht erforderlich ist. Die Hauptverantwortung und die Zuständigkeit für die Rekrutierung der gesuchten Fachkräfte liegen bei den Firmen. «Diese haben es über personalpolitische Massnahmen und über ihr Employer Branding grösstenteils selber in der Hand, sich bei den Fachkräften als attraktive Arbeitgeber zu positionieren»9.

«Weiterbildung und Höherqualifizierung auf allen Stufen während dem Erwerbsleben ist einer der Schlüssel, um den Fachkräftemangel etwas zu lindern»10. Zusätzlich lässt sich mit gezielten Initiativen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, durch Angebote in der Weiterbildung sowie in der Höherqualifizierung die Arbeitsmarktfähigkeit erhöhen, der aktuelle Pool an Fachkräften noch besser ausschöpfen und Fachkräftemangel entschärfen. Um die ambitionierten, langfristigen Ziele zu erreichen, ist ein koordinierter Effort gemäss Regierungsrat Dr. Urs Hofmann aber unabdingbar: «Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sind gemeinsam gefordert, das Potenzial an Fachkräften besser auszuschöpfen». In diesem Zusammenhang übernimmt die AIHK auf Basis ihres Netzwerks, als Plattform und als Anlaufstelle für ihre Mitglieder eine zentrale Funktion bei der Konkretisierung der Fachkräfteinitiative.

Info und Vernetzung

Der Bund, der Kanton Aargau und die AIHK legen viel Wert auf Beratungsleistungen und auf die Vernetzung über digitale, gedruckte und persönliche Kanäle. Damit wird die höhere Sichtbarkeit und ein unkomplizierter Zugriff auf die bestehenden Inhalte angestrebt.

Über die Links auf den nachstehenden beiden Seiten können spezifische Inhalte aus dem Internet abgerufen werden (Liste nicht vollständig).

Linkliste

  • www.aihk.ch: Die AIHK vernetzt Unternehmen und Politik, vertritt Unternehmen, unterstützt mit Dienstleistungen und fördert den Dialog zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.
  • Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA):Die AWA-Website bietet Informationen für Stellensuchende zu Themen wie (Weiter)Bildungskurse sowie für Unternehmen zur Eingliederung von Stellensuchenden.
  • www.arbeit.swiss: Das SECO bekämpft in Zusammenarbeit mit den Vollzugspartnern die Arbeitslosigkeit.
  • www.arbeitsmarktinfo.ch: Aktuelle Arbeitsmarktinformationen – ideal für die Berufswahl und Karriereplanung.
  • www.beratungsdienste.ch: ask! Beratungsdienste für Ausbildung und Beruf im Aargau sind ein Kompetenz- und Servicezentrum für Menschen von 14–65 Jahren und Organisationen.
  • www.berufsberatung.ch: Das offizielle schweizerische Informationsportal der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung.
  • www.berufsbildung.ch: Dieses Portal der Kantone enthält umfassende Informationen rund um die Berufsbildung in der Schweiz.
  • www.berufsbildungplus.ch: Sensibilisiert die Öffentlichkeit für die Bedeutung der Berufsbildung. Verbundpartner und Unternehmen können die Kampagneninstrumente in ihre Kommunikation integrieren.
  • Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS): Auf der Website des BKS sind Informationen zu verschiedenen Bildungsthemen kompakt aufgeführt.
  • Departement Gesundheit und Soziales (DGS): Auf der Website des DGS sind Information zu Fachkräfte-Themen wie Angehörigenpflege oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu finden.
  • www.digital-transformation-canvas.net: Die sieben Handlungsfelder der Transformation.
  • www.expertservice50.ch: Experten-Pool von 50+-Elektro-Ingenieuren, die für Projekteinsätze ad interim gebucht werden können.
  • www.fachkraefte-schweiz.ch: Die offizielle Website der Fachkräfteinitiative (FKI) des Bundes stellt Informationen zu entsprechenden Projekten, Programmen und Aktivitäten sowie Fakten, Dokumentationen und Beratung zur Verfügung.
  • www.hallo-aargau.ch: Das Amt für Migration und Integration (MIKA) stellt eine innovative Internetseite mit Informationen in 14 Sprachen zur Verfügung.
  • www.kibesuisse.ch: Der Verband Kinderbetreuung Schweiz hilft u.a. bei der Suche nach einem geeigneten Betreuungsangebot.
  • www.kinderbetreuung-schweiz.ch: für mehrere Kantone (AG, AI, AR, BE, BL, BS, GL, NW, OW, SO, SZ und UR).
  • www.kinderundfamilien.ch: Informationsplattform zu Betreuungsangeboten der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung.
  • www.kmu-transformation.ch: Als KMU die Digitale Transformation mit der Fachhochschule Nordwestschweiz erfolgreich umsetzen.
  • www.myjob.ch: Mein Job. Meine Region. Das führende regionale Stellenportal für die Nordwestschweiz mit über 20 000 ausgeschriebenen Stellen.
  • www.nationalerzukunftstag.ch: Der Nationale Zukunftstag fördert frühzeitig die Gleichstellung von Frau und Mann bei der Berufswahl und bei der Lebensplanung. Er ist ein Kooperationsprojekt zwischen Schule, Arbeitswelt und Elternhaus.
  • www.oda.berufsbildung.ch: Vorlagen und Muster mit denen Unternehmen ohne grossen Aufwand einen berufsspezifischen Ordner oder eine Website «Dokumentation berufliche Grundbildung» für Ihre Lernenden erstellen können.
  • www.potenzial50plus.ch: Ziel der Kampagne ist es, Arbeitgebende und eine breite Öffentlichkeit zum Thema Potenzial 50plus zu sensibilisieren.
  • Regionale Arbeitsvermittlung: Die RAV beraten Stellensuchende und bieten mit Partnerorganisationen ein breites Spektrum von Bildungs- und Beschäftigungsmassnahmen.
  • www.satw.ch: Am TecDay an Schweizer Mittelschulen besuchen alle Schüler interaktive, technisch-natur- wissenschaftliche Module.
  • www.sjf.ch: Schweizer Jugend forscht – Nationaler Wettbewerb.
  • www.swissnanocube.ch: Info- und Bildungsplattform zur Nanotechnologie.
  • www.tandem-ag.ch: Kantonales Angebot Tandem 50plus für Stellensuchende über 50 Jahren.
  • www.together.ch: bringt zusammen, was zusammen gehört.
  • www.weiterbildung.ch: Infoplattform und Datenbank zur Weiterbildung in der Schweiz.

Quellenangaben

  1. Daten: zugewanderte Erwerbstätige, SE, BFS, 2014.
  2. Arbeitsbericht interdepartementale Arbeitsgruppe Fachkräfte (IDA FK). Kanton Aargau, Departement Volkswirt- schaft und Inneres, Standortförderung. Dezember 2018.
  3. Berufe mit hohem Fachkräftemangel. Aargauer Index zum Fachkräftemangel. Departement Volkswirtschaft und Inneres. 2018.
  4. Arbeitsbericht interdepartementale Arbeitsgruppe Fachkräfte (IDA FK). Kanton Aargau, Departement Volkswirt- schaft und Inneres, Standortförderung. Dezember 2018.
  5. Arbeitsbericht interdepartementale Arbeitsgruppe Fachkräfte (IDA FK). Kanton Aargau, Departement Volkswirtschaft und Inneres, Standortförderung. Dezember 2018.
  6. https://www.ag.ch/de/dgs/gesellschaft/familie/familienergaenzende_kinderbetreuung_3/kinderbetreuungsgesetz/kinderbetreuungsgesetz_1.jsp
  7. Arbeitsbericht interdepartementale Arbeitsgruppe Fachkräfte (IDA FK). Kanton Aargau, Departement Volkswirtschaft und Inneres, Standortförderung. Dezember 2018.
  8. Arbeitsbericht interdepartementale Arbeitsgruppe Fachkräfte (IDA FK). Kanton Aargau, Departement Volkswirt- schaft und Inneres, Standortförderung. Dezember 2018.
  9. Arbeitsbericht interdepartementale Arbeitsgruppe Fachkräfte (IDA FK). Kanton Aargau, Departement Volkswirt- schaft und Inneres, Standortförderung. Dezember 2018.
  10. Arbeitsbericht interdepartementale Arbeitsgruppe Fachkräfte (IDA FK). Kanton Aargau, Departement Volkswirt- schaft und Inneres, Standortförderung. Dezember 2018.